Gesund schrumpfen? Rethinking Rural Futures - Lisa-Marie Byhan , Till Bäumer-Kern & Benedikt Ahlers

Gesund schrumpfen? Rethinking Rural Futures - Lisa-Marie Byhan , Till Bäumer-Kern & Benedikt Ahlers

Termin

19.09.2025

Gesund schrumpfen? Eine nachhaltige Strategie für Heubach

Stellen Sie sich einen Ort vor, in dem Häuser leer stehen, Straßen still geworden und die Nachbarn längst weggezogen sind. Dörfer, die einst lebendig waren, verkümmern und verschwinden lautlos.

So sieht die Realität vieler ländlicher Regionen heute aus, auch die von Heubach, Thüringen. Innerhalb eines Jahrzehnts hat Heubach über 15 % seiner Einwohner verloren. Bis 2040 werden voraussichtlich 100 weitere Häuser unbewohnt sein. Leerstand, geschlossene Geschäfte und das Gefühl, abgehängt zu sein, wirken sich tief auf den Alltag der Menschen aus.

Unser Projekt „Gesund schrumpfen“ nimmt sich dieser Leere an und sieht in ihr keine Tragödie, sondern eine Chance: die Chance auf eine bewusste Neuausrichtung des Lebens auf dem Land. Weg von endlosem Wachstum, Isolation und Verfall und hin zu mehr Lebensqualität, Nähe und neuen Formen von Gemeinschaft.

Was bedeutet Gesund schrumpfen?

Es geht nicht darum, sich einfach zu verkleinern, sondern um die Möglichkeit, anders weiterzumachen. Verwaiste und dünn besiedelte Flächen an Ortsrändern werden in wilde, naturnahe Grünflächen verwandelt. Und gleichzeitig werden vernachlässigte Wohnstrukturen fürsorglich wieder hergestellt und in Form von Clustern neu belebt. Dabei gibt es keine Pauschallösung – jede Entscheidung wird im Kontext des Einzelfalls getroffen. Wo es sinnvoll ist, werden alte charakteristische Gebäude und wertvolle Raumkanten bewahrt, um die Identität des Ortes zu erhalten.

Methode

1 - Auf Stadtebene setzen wir auf das Prinzip der Clusterbildung: Dort, wo es der Städtebau zulässt, werden bestehende Strukturen gezielt aufgelockert. Anstelle zersiedelter Ränder entstehen klare Nachbarschaftscluster mit kurzen Wegen und neuen Begegnungsorten. Die frei werdenden Räume an den Ortsrändern verwandeln sich in grüne Übergänge und wilde Naturzonen mit hoher ökologischer Vielfalt.

2 - Auf Gebäudeebene ermöglicht ein eigens entwickeltes Bewertungstool eine fundierte Einzelfallentscheidung. Ob ein Gebäude erhalten bleibt, umgestaltet oder zurückgebaut wird, wird nicht pauschal entschieden, sondern auf Grundlage von drei zentralen Fragen sorgfältig diskutiert:

Gibt es ein gemeinschaftliches Interesse?
Gibt es ein nachbarschaftliches Interesse?
Gibt es ein naturräumliches Interesse?

So entsteht ein sensibles, ortsspezifisches Gleichgewicht zwischen Erhalt und Rücknahme – mit dem Ziel, die Lebensqualität zu verbessern und nachhaltig zu sichern.

Vision

Ein Dorf, das durch Rücknahme gewinnt. Ein Ort, der lebt, weil er lernt, loszulassen. Weniger Fläche, mehr Qualität. Weniger Asphalt, mehr Natur. Weniger Rückzug, mehr Gemeinschaft.

Gesund schrumpfen heißt: nicht länger schweigen, wenn Strukturen zerfallen, sondern Verantwortung übernehmen. Nicht dem Verlust nachtrauern, sondern Chancen sehen. Es ist der Versuch, einem schrumpfenden Ort eine Stimme zu geben – einem Ort, der den Wandel nicht bekämpft, sondern ihn zu einer sozialen und ökologisch tragfähigen Heimat mitgestaltet.

Über die Preisträger:innen

Lisa-Marie Byhan (1997-), Till Bäumer-Kern (1998-) und Benedikt Ahlers (1998-) lernten sich während ihres Bachelorstudiums an der MSA | Münster School of Architecture kennen. Im Jahr 2023 zogen sie alle nach Weimar, um ihr Masterstudium an der Bauhaus-Universität aufzunehmen. Gemeinsame Interessen an sozialen und räumlichen Aspekten der Architektur führten zu Kooperationen in verschiedenen Konstellationen. Zuletzt kreuzten sich ihre Wege erneut am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und -planung von Prof. Dr.-Ing. Sigrun Langner, wo 2024/2025 das Projekt „Gesund schrumpfen? Rethinking Rural Futures” entstand.

Bildnachweis 1 : Thierry Girard, Paysage Temps, 1997–2022, Reyersviller, Moselle, 2013
Point de vue 160 https://orthoslogos.fr/photographie/une-schizophrenie/