JUSTICE UNDER CONSTRUCTION
Das Kölner Justizzentrum muss erhalten bleiben. Nicht als Relikt der Vergangenheit, sondern als Vorbild für kollektive Instandhaltung und Reparatur. Wir fordern für unsere Nachkriegsarchitektur das gleiche Engagement, das wir seit langem unseren Kathedralen, wie beispielsweise dem Kölner Dom, entgegenbringen. Zu diesem Zweck fordern wir die Schaffung eines Netzwerks lokaler Bauhütten oder loges de maçons – Verbände des gemeinschaftlichen Bauens. Wir setzen uns für eine Kultur der Transformation ein, die nicht nur aufgegebene Gebäudehüllen einer neuen Nutzung zuführt, sondern Gebäude durch kontinuierliche Anpassung wiederbelebt.
TRANSFORMATION BEI FORTLAUFENDER NUTZUNG
Das 1981 eröffnete Kölner Justizzentrum ist mehr als nur ein Betonkoloss: Es ist ein prägendes städtisches Element, ein Ort des öffentlichen Rechts – und ein Symbol gelebter Demokratie. In seinen Mauern sind Werke zeitgenössischer Kunst integriert. Jetzt, nach nur 40 Jahren Nutzung, soll das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Da es weiterhin eines Or-tes bedarf, der dem ursprünglichen Nutzungszweck gerecht wird, würde selbst die Umnutzung des bestehenden Gebäudes den Bau einer zweiten, ressourcenintensiven Struktur erfordern. Wir sa-gen: Das Justizzentrum sollte ein Justizzentrum bleiben.
In Zeiten von Ressourcenknappheit und Klimakrise fragen wir: Warum neue Gebäude bauen, wenn bestehende revitalisiert werden können? Warum Funktionen ändern, wenn die derzeitige Nutzung weiterhin erforderlich ist? Warum neu bauen, nur um das Neue genauso schnell wieder altern zu sehen?
Verwaltungsgebäude der modernistischen Nachkriegszeit sind keine veralteten Modelle – sie sind gesellschaftliche Tests für unsere Fähigkeit, uns verantwortungsbewusst zu verändern und weiter-zuentwickeln.
BAUHÜTTE – ODER LOGE DE MAÇON
Wie beim Kölner Dom, dessen Bau seit Jahrhunderten andauert, betrachten wir Architektur nicht als fertiges Produkt, sondern als fortlaufenden Prozess. Ein altes Kölner Sprichwort lautet: „Wenn der Kölner Dom fertig ist, geht die Welt unter.“ Der Dom und die darin befindlichen Kunstwerke werden ständig gepflegt, restauriert und erweitert – sie sind nie fertig. Eine Dombauhütte sorgt mit generationsübergreifendem handwerklichem und technischem Know-how für diesen kontinuierli-chen Wandel. Dombauhütten – oder loges de maçons – entstanden im Mittelalter vor allem in Frankreich und Deutschland als Zunftwerkstätten im Umfeld gotischer Kathedralen.
Wir schlagen eine Justice Bauhütte vor: eine offene Plattform für technische und qualifizierte Transformation, kollektives Verhandeln und kulturelle Teilhabe. Ähnlich wie bei den traditionellen Bauhütten stellen wir uns einen Raum vor, in dem Fachleute speziell für die Erhaltung, Low-Tech-Lösungen und die Anpassung von Verwaltungsgebäuden der Nachkriegszeit ausgebildet werden. Die Bauhütte wird Wissen vermitteln, Engagement fördern und die Umgestaltung des Gebäudes im städtischen Raum durch sichtbare Werkstätten und offene Prozesse integrieren. Unsere Bau-hütte wird zu einem Manifest für eine transparente und demokratisierte Kultur der Transformation.
BAUHÜTTEN-NETZWERK
So wie die Gründe für den Leerstand von Verwaltungsgebäuden von Fall zu Fall ähnlich sind, kön-nen auch die Lösungen ähnlich sein. Unser Ziel ist es, strategisches und technisches Wissen aus-zutauschen, um Abriss und Leerstand zu verhindern. Aus diesem Grund schlagen wir ein Netz-werk von Bauhütten vor, die sich der Nachkriegsmoderne widmen. Wie ihre historischen Vorbilder wird jede Bauhütte ihr eigenes Fachgebiet haben, sodass innerhalb des Netzwerks gemeinsam Lösungen für die dringenden Herausforderungen unserer Zeit entwickelt werden können.
Justice under construction bedeutet: Transformation bei fortlaufender Nutzung, damit dem Abriss die Argumente ausgehen.
Über die Preisträgerinnen
Jenny, Maura und Mascha arbeiteten erstmals 2022 zusammen, wo sie ein Konzept zur Umnutzung leerstehender Räume als Gemeinschaftsräume entwickelten. Seitdem haben sie – mit anderen Kollektiven, im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit und als Teil verschiedener Architekturbüros – an Projekten gearbeitet, die von der Forschung und Umsetzung von Bauprojekten bis hin zu kollaborativen Workshops reichen.
Sie erkennen den Wert der gebauten Umwelt, denken Bauprinzipien neu und hinterfragen den Status quo. Ihre Projekte verbinden künstlerische Praxis mit transformativer Wiederverwendung und fördern neue Formen der Interaktion.