Manifesto for Chimney Gardens - Rachel Rouzaud & Bernadetta Budzik

Manifesto for Chimney Gardens - Rachel Rouzaud & Bernadetta Budzik

Termin

19.09.2025

MANIFESTO FOR CHIMNEY GARDENS
oder WARUM WIR KEINE FAKE-FASSADEN WOLLEN

Im 19. und 20. Jahrhundert tauchten in Paris erstmals Scheinfassaden auf, vor allem um unansehnliche Infrastrukturen zu verbergen, insbesondere Lüftungsschächte und Versorgungsgebäude der Metro- und RER-Linien. Die Haussmann-Ära prägte die Stadt und die kollektive Vorstellung davon, wie Paris aussehen sollte. Die Stadtplanung legte Wert auf eine einheitliche und elegante Architektur, sodass Ingenieureinnen und Architektinnen, als sich die moderne Infrastruktur unter der Stadt ausbreitete, Gebäude nur mit Fassaden schufen, um die Illusion der Pariser Boulevards aufrechtzuerhalten.

Wir betrachten dieses Phänomen eher als Symbol dafür, wie Paris als Stadt den Erwartungen von Touristen, Modewochen, aufstrebenden rechtsextremen Gruppen, Konservativen vom linken Seine-Ufer und gentrifizierenden Bobos (fr: bourgeois-bohème, engl.: wohlhabende Hipster) gerecht werden möchte.

Diese Fassaden ahmen die benachbarte Architektur nach, sind jedoch nur leere Hüllen – hinter den Fensterläden gibt es keine Fenster, keine echten Räume. Sie verbergen lediglich Maschinen, Treppen oder Lüftungsschächte. Eine beträchtliche Anzahl solcher Schächte befindet sich in unserem Viertel, dem 10. Arrondissement, rund um den Gare du Nord und den Gare de l'Est. Das Viertel ist für seine kulturelle Vielfalt, seine belebten Straßen, die Vielzahl von Sprachen und Produkten aus aller Welt und seine starke Gemeinschaft bekannt. Es ist auch bekannt für kleinere und größere illegale Aktivitäten, die sich hauptsächlich um den Verkauf von geschmuggelten Zigaretten drehen. Unsere Straße und unser Viertel sind zudem von der Wohnungskrise geprägt, von der vor allem Mitglieder der Gemeinschaft ohne Papiere betroffen sind, sowie von der Umweltverschmutzung durch die versteckten U-Bahn- oder Zugschächte und den fehlenden Grünflächen.

Haussmann setzte in der Stadt ein rücksichtsloses Vorhaben um, mit dem Ziel, die unteren Klassen im Namen eines bürgerlichen Schönheitsideals zu vertreiben. Indem wir falsche Fassaden erhalten, die lediglich zum Verstecken umweltverschmutzender Schornsteine dienen, ohne den frei gewordenen Raum zu nutzen, unterstützen wir weiterhin einen Angriff auf die soziale Vielfalt der Stadt.

Diese Scheinheiligkeit inspirierte uns dazu, an einem imaginären Projekt zu arbeiten, das die Gründe für Fake-Fassaden, ihre Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung und verfügbare Alternativen hinterfragt. Wir haben uns vorgestellt, dass die Luft aus den Schornsteinen der U-Bahn keine Schadstoffe enthält, sondern durch mehrere Schichten von Grünpflanzen gefiltert wird. Wir haben uns das von diesen Schornsteinen erzeugte Klima angesehen, das durch sehr hohe Temperaturen, eine hohe Luftfeuchtigkeit und überwiegend versmogte Gebiete gekennzeichnet ist. Anschließend haben wir eine Reihe von Pflanzen ausgewählt, die in ähnlichen Klimazonen in verschiedenen Regionen heimisch sind. Dann haben wir die luftreinigenden Eigenschaften von Pflanzen und Pilzen untersucht und anhand von Berechnungen die Dichte der Bepflanzung und die Anzahl der notwendigen Ebenen geschätzt, die erforderlich sind, um die Verschmutzung in diesem Gebiet auf das durchschnittliche Pariser Niveau zu senken.

Durch die Einführung von Arten, die bei uns zwar nicht heimisch, aber widerstandsfähig gegenüber diesem künstlichen Klima sind, bringen wir auch geografische Regionen, eine Ansammlung verschiedener Kulturen, Geschichten und Herkunftsländer näher an unsere Straße heran. Ein Turm geografischer Vielfalt in Paris hinter einer Fake-Haussmann-Fassade, auf einem leeren Grundstück.

MANIFEST

1. FAKE-GEBÄUDE SCHAFFEN FAKE-STÄDTE

2. LEERE FASSADEN LASSEN STRASSEN STERBEN

3. ZUGÄNGLICHE GRÜNFLÄCHEN UND SAUBERE LUFT STATT GENTRIFIZIERUNG

4. EINE INFRASTRUKTUR, DIE DER STADT DIENT UND SIE NICHT BEHINDERT

5. SAUBERE LUFT UND WOHNRAUM FÜR MENSCHEN SIND WICHTIGER ALS HISTORISIERUNG UND HAUSSMANN-FASSADEN

Über die Preisträgerinnen

Rachel Rouzaud und Bernadetta Budzik bilden ein polnisch-französisches Architektenteam mit Sitz in Paris, das durch sich ergänzende Praktiken zusammenarbeitet: Bernadetta mit Schreiben, Szenografie und Konstruktion und Rachel mit Wandteppichen und Installationen. Zu ihren Arbeiten gehört das Forschungsprojekt Atlas of Forest Occupations über Umweltproteste. Ihre Praxis untersucht das Recht auf Raum, architektenlose Architektur, Protest und Repräsentation in verschiedenen Medien wie Schrift, Textilien, Holzverarbeitung und Film. Rachel Rouzaud und Bernadetta Budzik bilden ein polnisch-französisches Architektenteam mit Sitz in Paris, das durch sich ergänzende Praktiken zusammenarbeitet: Bernadetta mit Schreiben, Szenografie und Konstruktion und Rachel mit Wandteppichen und Installationen. Zu ihren Arbeiten gehört das Forschungsprojekt „Atlas of Forest Occupations” über Umweltproteste. Ihre Praxis untersucht das Recht auf Raum, architektenlose Architektur, Protest und Repräsentation in verschiedenen Medien wie Schrift, Textilien, Holzverarbeitung und Film.