Die Künstlerin Dominique Hurth entwickelt für die Räume des Württembergischen Kunstvereins eine neue Präsentation ihres langjährigen künstlerischen Forschungsprojektes über weibliche NS-Täterschaft, die sie am Beispiel der Figur der KZ-Aufseherin im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück untersucht.
Im Lager Ravensbrück, das als zentrale Ausbildungsstätte des weiblichen Wachpersonals aller Konzentrationslager diente, arbeiteten zwischen 1939 und 1945 rund 3.340 meist junge Frauen als Aufseherinnen. Sie waren keine Mitglieder der SS, dieser jedoch vertraglich unterstellt. Für ihren oftmals gewaltvollen Einsatz erhielten sie Privilegien und eine gewisse Unabhängigkeit.
In der Ausstellung geht Hurth drei zentralen Aspekten nach: Den Uniformen der KZ-Wächterinnen;
der Textilproduktion in Ravensbrück sowie den Gerichtsverhandlungen gegen ehemalige KZ-Aufseherinnen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Uniformen werden im Hinblick auf Geschlechter- und Statusrepräsentationen sowie auf ihre wechselseitigen Beziehungen zur damaligen Modewelt beleuchtet. In Ravensbrück wurden unter den Bedingungen von Zwangsarbeit insbesondere Häftlingskleidung sowie Uniformen für die Front und das weibliche Wachpersonal hergestellt. Hurth beleuchtet diese Produktion in Bezug auf Ökonomie, Arbeitsabläufe und -geräte, Gewalt sowie auf ihre Verschränkung mit der zivilen Bekleidungsindustrie. Im Kontext der NS-Prozesse befragt Hurth die provisorische Architektur der Gerichtsverhandlungen, die fotografische Dokumentation sowie die von Verharmlosungen und Stereotypen geprägte Sprache vor Gericht.
Neben bereits bestehenden Elementen zeigt die Ausstellung zahlreiche neue Werke, die für den Kunstverein im Sinne einer Gesamtinstallation konzipiert werden. Sie umfasst textile und architektonische Installationen, die die Formen von Webstühlen, Vorhängen oder temporären Gerichtssälen aufgreifen, Zeichnungen, Texte, Dia- und Videoprojektionen sowie historische Dokumente, die von Zeitschriften, Fotografien und Akten bis zu Uniformen und anderen Bekleidungsstücken reichen. Gemeinsam bilden sie eine vielschichtige Erzählung über weibliche Täterschaft – sie schaffen Erfahrungsräume, die eine sensible und zugleich geschichts- und gegenwartskritische Annäherung an das Thema erlauben.