OFF - Open Floor Frankfurt - Mark Balint, Jakob Bittner & Moritz Hahn

OFF - Open Floor Frankfurt - Mark Balint, Jakob Bittner & Moritz Hahn

Termin

19.09.2025

OFF - Open Floor Frankfurt
Initiative zur Umnutzung von Leerstand

Frankfurts zentrales Geschäftsviertel durchzieht ein Riss – nicht im Glas oder Beton, sondern im Denken. Riesige Wolkenkratzer stehen teilweise leer, während Seniorenheime schließen, Jugendzentren verschwinden und generationsübergreifende Dialoge verloren gehen. Leerstand bedeutet hier nicht einfach Abwesenheit, sondern Ausgrenzung. Diese leerstehenden Etagen, Nebenprodukte spekulativer Stadtentwicklung und finanzieller Hypertrophie, sind kein Versagen der Architektur, sondern der räumlichen Verteilung. Sie sind Dehnungsstreifen am Körper der neoliberalen Stadt: sichtbare Zeugnisse einer übermäßigen Ausdehnung, eines Ungleichgewichts und einer systemischen Fehlausrichtung zwischen baulichem Angebot und sozialer Nachfrage.

OFF – Open Floor Frankfurt fungiert als urbanes Protokoll. Die Initiative schafft einen parallelen Mechanismus, der in die bestehenden Rechts-, Verwaltungs- und Steuersysteme integriert ist und darauf abzielt, ungenutzte Gebäudeflächen wieder in den städtischen Kreislauf einzubinden. Unter Verwendung bestehender gesetzlicher Instrumente – §172 BauGB (vorläufige Nutzungspflicht), §11 BauGB (konzeptbasierte Zuweisung) und §246 BauGB (Sondergenehmigung für eine vorübergehende Nutzung) – und unter Nutzung von Strukturblöcken als Baueinheiten schafft OFF neue Formen des Zugangs.

Anstatt Architektur als Lösung selbst vorzuschlagen, sieht OFF Architektur eher als Schnittstelle: eine Überlagerung flexibler Infrastrukturen, die rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzierungsmodelle, Eigentümer*innen, zivilgesellschaftliche Initiativen und administrative Akteure miteinander verbindet. Es handelt sich um eine Form von Lenkung durch räumliche Kuration, bei der ungenutzte Ressourcen mit dringenden Bedürfnissen in Verbindung gebracht werden. Von FABLabs, über Reparaturwerkstätten für die Nachbarschaft, Künstlerateliers für Jugendliche bis hin zu Gemeinschaftsküchen ermittelt die Plattform gesellschaftliche Mikrobedürfnisse und verbindet sie mit verfügbaren städtischen Makro-Leerständen.

Die Methode funktioniert problemlos: Sie steht im Einklang mit den Vorschriften und verletzt diese nicht. OFF schöpft Potenzial aus der Bürokratie selbst, indem es öffentliche Förderprogramme, Kulturfonds, Gesundheitsinitiativen und kommunale Politik in einem aktiven operativen Netzwerk zusammenführt. Das Ergebnis ist kein neues Gebäude, sondern eine neue Nutzungstypologie: anpassungsfähig, temporär und sozial verortet.

Jede durch OFF reaktivierte Etage wird so zu einer programmierbaren Fläche für Pflege, Lernen, künstlerisches Schaffen oder Heilung. Räume werden nicht „verschenkt“, sondern durch Verhandlungen zwischen mehreren Parteien, rechtliche Verflechtungen und vertrauensbasierte Umverteilung umgewidmet. Junge Architektinnen, sozial ausgerichtete Unternehmerinnen, ältere qualifizierte Menschen, Kinder mit Ideen – sie alle sind Akteure in dieser Bottom-up-Neugestaltung des überbauten Skeletts der Stadt und bilden ein Netzwerk des Handelns. OFF öffnet die überschüssigen verschlossenen Räume in jeder spekulativen Stadt mit einem Schlüssel aus Gesetzen, Bedürfnissen und der kollektiven Fähigkeit, städtisches Kapital als gemeinschaftliches Gut neu zu denken.

Über die Preisträger

Mark Balint, Jakob Bittner und Moritz Hahn sind Raumgestalter, die sich nach ihrem Studium in Würzburg zu verschiedenen Kooperationen zusammengeschlossen haben. Im Jahr 2025 gründeten sie ihr gemeinsames Büro gumball.agency, eine experimentelle, transdisziplinäre Konzeptmaschine, die an der Schnittstelle von Kunst, Raumgestaltung und urbaner Kultur arbeitet. Geleitet von Forschung und Intuition erkunden sie ungenutzte Potenziale durch unkonventionelle Synergien und schaffen Projekte, die Grenzen zwischen Disziplinen verwischen und neue Perspektiven auf die zeitgenössische Raumgestaltung eröffnen.