Camille Rouaud (Uchizy, France)

Soupes Populaires

Camille Rouaud (Uchizy, France)

Jurybegründung

Das Projekt überzeugte die Jury durch seine Relevanz und seinen innovativen Ansatz, der das Konzept der Suppenküchen mit einem „Cyberpunk-Twist“ neu interpretiert. Indem sie in den Kofferräumen wiederverwendeter „Coupés“ eingerichtet werden – jener Luxusautos, die aufgrund ökologischer Vorschriften heute meist nicht mehr genutzt werden dürfen – überzieht Camille Rouaud die extreme Armut der Suppenküchen mit einem Hauch von Luxus und stellt so die sozialen Ungleichheiten unserer Zeit infrage. „Das Projekt greift aktuelle ökologische Herausforderungen intelligent auf, indem es diese umweltschädlichen Fahrzeuge mithilfe neuer Technologien auf Autogas (LPG) umrüstet – ein Gas, das zudem auch zum Kochen genutzt werden kann.“ Die Jury würdigte außerdem die zentrale Rolle von Gastfreundschaft, Gemeinschaft und sozialer Wärme in diesem Konzept, das sich flexibel an unterschiedlichste Orte anpassen lässt.

Das Projekt

Diese Geschichte begann, als mich ein Freund im Februar anrief, um mir zu sagen, dass mein Auto abgebrannt war. Später erfuhr ich, dass ein Brandstifter, unter dem Einfluss harter Drogen, überzeugt davon, Dämonen zu jagen, in dieser Nacht zwölf Fahrzeuge in Brand gesteckt hatte. Für die romantische Note: Ich hatte das Auto mit meiner Ex geteilt – und sein verbranntes Wrack verkörperte unsere Liebe, die in Rauch aufgegangen war…

Streetfood existierte lange vor der Erfindung der modernen Einbauküche, die erst mit der Entwicklung des Komforts und der nuklearen Familie entstand. In vielen Teilen der Welt ist sie nach wie vor ein fester Bestandteil des Alltags. Während Streetfood in Thailand oder Japan einen unbestreitbaren Charme besitzt, vor allem für Europäer aus stark regulierten städtischen Räumen, maskiert sie in Europa oft eine andere Realität – nämlich die Suppenküchen und Essensausgaben von Organisationen wie den Restos du Cœur. Trotz 45.000 Asylanträgen im Jahr 2023 bleibt Europas einzige Antwort auf diese neuen Bevölkerungsgruppen in Not die Errichtung von Gefangenenlagern unter freiem Himmel, möglichst unsichtbar, außerhalb der urbanen Zentren. Obdachlose haben aufgrund ihrer extrem prekären Lage gelernt, die Stadt durch Erfahrung zu lesen – sie wissen um die verfügbaren Ressourcen. Aber was ist mit den Neuankömmlingen? Wie überleben sie in einem Raum, den sie nicht entschlüsseln können?

Die Verbote im Zuge der ökologischen Transformation haben eine Vielzahl von Fahrzeugen unbenutzbar gemacht. Mit neuer LPG-Technologie kann jedes dieser Autos in ein Hybridfahrzeug umgewandelt werden – und das Beste daran: Mit LPG kann man auch kochen. In Kombination mit LED-Panels, die mit 12V-Systemen betrieben werden, entsteht eine Flotte von Fahrzeugen, die in kleinsten Aktionsräumen als mobile Suppenküchen an jeder Straßenecke fungieren. Brasilien ist uns in dieser Hinsicht allerdings weit voraus – dort gibt es bereits die sogenannten „porta-malas“-Küchen, die Churros und Hotdogs aus den Kofferräumen von Autos für Nachtschwärmer anbieten. Die Idee ist hier, das Coupé – ein Symbol für Konsum und Individualismus – in den Mittelpunkt sozialer Aktion zu stellen und die urbane Landschaft jenseits ihrer kommerziellen Nutzung neu zu denken.

Soupe Populaire stellt die Suppenküche als einen Nachtmarkt in Bangkok mit einem Hauch von Cyberpunk vor. Der Audi A3 Sportback 1.9 TDI in Metallic-Grau mit Aluminiumfelgen könnte als Lippenstift dienen, um dieses Symbol extremer Armut seiner miserablen Konnotation zu berauben. Kommt auch ihr, um eine Schüssel Suppe aus dem Kofferraum eines Luxusautos zu genießen – Flüchtlinge sind willkommen, die Gastfreundschaft hat dieses Land (noch nicht ganz) verlassen. Suppen gibt es in allen Küchen der Welt. Während einige – wie die französische Bouillabaisse – zu erlesenen Delikatessen wurden, sind sie doch immer noch das populärste Essen schlechthin. Ob heiß oder kalt, püriert oder mit Stücken, mit frischen Kräutern oder trockenen Gewürzen, vegetarisch oder mit Fleisch – Suppen passen zu allen.

Biografie

Camille Rouaud ist ein in Athen ansässiger Architekt, der in den Bereichen Architektur, Design, Anthropologie und visuelle Künste arbeitet. Er ist Mitbegründer des Büros GRAMMA, eines Forschungsprojekts zur architektonischen Grammatik der Stadt Athen und ihrem aktuellen Verfall.