Jurybegründung
Das Projekt zeichnete sich sofort durch seine Originalität und die Kohärenz seines Konzepts aus. Es greift eine der dringendsten Herausforderungen auf: die Ernährungsunsicherheit, von der mehr als 8,5 Millionen Menschen in Frankreich und Deutschland betroffen sind. Ausgehend von der Idee, dass es notwendig wäre, 1.760 km Esstische zu bauen, um dieses Problem zu lösen, entstand das Konzept der „Gastrobahn“ – eine riesige Infrastruktur, die Deutschland und Frankreich in der Breite durchquert, um Mahlzeiten zuzubereiten und zu servieren.
Das Projekt
8,5 Millionen: Das ist die Anzahl der Menschen, die in Deutschland und Frankreich unter Ernährungsunsicherheit leiden (Zahlen der FFBA und WBAE für 2022). Diese alarmierende Zahl zeigt, dass Essen zwar für viele ein Genuss ist, für zu viele Menschen jedoch vor allem eine lebenswichtige Notwendigkeit bleibt. Diese Zahlen, die in den letzten zehn Jahren exponentiell gestiegen sind, symbolisieren die zunehmende Prekarität in Europa und weltweit.*
1.760 km: Das ist die Länge der Tische, die notwendig wäre, um Menschen in Ernährungsunsicherheit eine angemessene Mahlzeit bereitzustellen. Aneinandergereiht erstrecken sich diese Esstische vom Landkreis Vorpommern-Rügen in Deutschland bis ins französische Baskenland.
Gastrobahn ist ein groß angelegtes Projekt, das darauf ausgelegt ist, die notwendigen Lebensmittel zu beschaffen, zuzubereiten und zu servieren, um die 8,5 Millionen von Ernährungsunsicherheit betroffenen Menschen in Deutschland und Frankreich zu versorgen. Die Gastrobahn durchquert deutsche und französische Regionen mit sehr unterschiedlichen sozialen, geologischen und klimatischen Bedingungen. Diese konkrete Struktur ist in vier Bereiche unterteilt: Die Pfeiler, die den Einfluss auf die durchquerten Gebiete minimieren und die Anpassungsfähigkeit an verschiedene geografische Gegebenheiten gewährleisten. Der zentrale Bereich für die Zubereitung und den Verzehr von Speisen, der sich über 1.760 km erstreckt. Ein geschlossener, überdachter Raum mit gemeinschaftlichen Kochinseln. Entlang der gesamten Strecke stehen Second-Hand-Tische aus Antiquitätenmärkten, an denen die Mahlzeiten serviert werden. Flexible und modulare Balkone ermöglichen eine beliebige Erweiterung des zentralen Bereichs und öffnen ihn zur Außenwelt. Durch die eigenständige Installation dieser gerüstartigen Strukturen entsteht ein Ort, an dem sich Menschen versammeln, kochen, genießen und gemeinsam ein gutes Essen an der frischen Luft verdauen können. Das Dach, eine echte Fahrrad-Autobahn, dient dem Transport lokaler Lebensmittel und fördert nachhaltigen Konsum sowie kurze Lieferketten. Die Gastrobahn ist eine autarke Struktur, die sich an verschiedene Gegebenheiten anpassen kann. Sie bietet nicht nur eine Lösung für die Ernährungsunsicherheit in Deutschland und Frankreich, sondern stärkt auch die lokalen Regionen und die Beziehung zwischen beiden Ländern. Dank Low-Tech-Wassergewinnungssystemen, kleinen Windturbinen, Öfen und Solarpaneelen produziert die Gastrobahn ihre eigene Energie für die Zubereitung und das Kochen der Mahlzeiten. Sie ist ein geselliger Ort, an dem Menschen zusammenkommen, Mahlzeiten teilen und so eine der zentralen Werte der Küche verteidigen: das Miteinander.
2.000 €: Dieser Betrag wird an die Organisationen „Restos du Cœur“ und „Tafel“ gespendet, falls die Gastrobahn zu den drei Gewinnerprojekten gehört.
Biografie
Nach fast zehn Jahren Erfahrung in der Wohnungsplanung und Bauüberwachung in Frankreich arbeitet Yann Motreff heute an einer Alternative zum spekulativen Stadtbaumodell. Er entwickelt eine Architektur, die an ihre Umgebung angepasst ist und sich für die Bewohner und ihren Lebensraum engagiert. Er ist der Autor des Instagram-Accounts CTRL+V, einem kritischen Kommentar zur Absurdität der fotogenen und trendgesteuerten Architektur, und leitet das Programm des Festivals Béton Le Havre.