Berlin Biennale

Festival

Berlin Biennale

Fredj Moussa, Panties for Peace

Geförderte Künstler:innen

Fredj Moussa
Panties for Peace

Termin

14.06 – 14.09.2025

Eröffnung am 13.06.2025

Ort

Berlin Biennale
KW Institute for Contemporary Art

das flüchtige weitergeben, 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst

Unter dem Titel das flüchtige weitergeben, die 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst versammelt mehr als 60 Künstler:innen und zeigt über 170 Arbeiten, die an vier Ausstellungsorten Fenster in eine Reihe geografischer Zusammenhänge eröffnen: in den KW Institute for Contemporary Art, den Sophiensælen, im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart und in einem ehemaligen Gerichtsgebäude in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit.
Die Kuratorin der 13. Berlin Biennale, Zasha Colah, spielt mit dem Titel der Ausstellung auf die Fähigkeit der Kunst an, im Angesicht legislativer Gewalt in Unrechtssystemen ihre eigenen Gesetze zu definieren, und auch unter Bedingungen von Verfolgung und Militarisierung Zeichen zu setzen – Botschaften zu senden, die Weitergegeben werden können. das flüchtige weitergeben kann als Aufruf oder instruction piece verstanden werden: Besucher:innen sind eingeladen, mit diesen kulturellen Beweisstücken nun ihrerseits flüchtig zu werden, ihren Inhalt von Mund zu Mund zu verbreiten, bis dieser sich materialisieren kann. Die Ausstellung geht von dem unvorhersehbaren Moment aus, in dem ein Akt individueller Vorstellungskraft zu einem kollektiven werden kann.
Der Titel der 13. Berlin Biennale bezieht sich auf den ästhetischen Charakter der präsentierten Werke, die flüchtige Übertragungs- und Materialisierungsformen in sich tragen und sich des Körpers und der Oralität bedienen. Wenn das Kunstwerk selbst spricht – in Theaterinszenierungen, Performances, Lesegruppen, wissenschaftlichen Vorträgen, Tribunalen, Spoken Word und gemeinsamen Gedenkspaziergängen in der Stadt, in kleinen Witzen und Stand-up-Comedy –, entsteht unmittelbare Kompliz:innenschaft
zwischen Kunstwerk und Publikum.
Die 13. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst findet vom 14. Juni bis 14. September 2025 statt und wird von Zasha Colah kuratiert.
Valentina Viviani ist Assistenzkuratorin

Fredj Moussa

In seinen humorvoll wie tragischen Filmen kombiniert Fredj Moussa Landschaftsmotive, Geschichtenerzählen und absurde Requisiten aus
Stoffen und recyceltem Abfall, um soziopolitische Realitäten aufzuzeigen. Als in Frankreich geborener Franko-Tunesier thematisiert
er in seinen Arbeiten oft in Tunesien spielende europäische Literatur, um Entfremdung und Zugehörigkeit zu kommentieren.
Sein neuer Film ist eine humorvolle Kritik an dem Wort „barbarisch“. Noch in der Renaissance, einer Zeit des kulturellen Erwachens in Italien, hieten sich die Vorurteile gegenüber denjenigen Menschen, die Europa durch Handel und andere Formen des kulturellen Austauschs bereicherten, hartnäckig. Man sah sie als unzivilisierte, furchterregende sogenannte „Barbar:innen“ aus fremden Kulturen. Giovanni Bocaccios Dekameron, ein Novellenzyklus aus dem 14. Jahrhundert, gibt Einblick in die damals herrschenden Vorurteile: Im Kapitel Fünfter Tag, Zweite Novelle besteigt die Figur Gostanza voller Verzweiflung über den Tod ihres Geliebten ein Boot, das vom Wind in der Nähe der tunesischen Stadt Sousse an Land getrieben wird. Auf der anderen Seite des Mittelmeers nannten die Römer:innen diese Küste Nordafrikas „Barbarei-Küste“. Das französische Wort Berbère, das die dort lebenden Indi-genen beschreiben sollte – die Amazigh – leitet sich
von diesem Begriff ab.
Wie viele andere literarische Werke wird auch Bocaccios Novellenzyklus der europäischen Kultur zugerechnet. Direkt oder indirekt sind jedoch außereuropäische Einflüsse über Handelswege oder die mündliche Weitergabe von Geschichten integraler Bestandteil nicht nur dieses Werks. So wie der kulturelle Austausch jenseits der Meere immer in Bewegung ist, so sind auch die Bilder in Moussas Film in Bewegung. Auf humorvolle Art eröffnet seine visuelle Poesie eine Perspektive auf den Eurozentrismus westlicher Literatur. Sein Film fragt, wie diskriminierende Wahrnehmungsweisen Rassismus heute immer noch prägen und inwiefern sie imperialistische Kolonialfantasien von der Zivilisierung außereuropäischer Kulturen befeuert haben.
Sumesh Sharma

Panties for Peace

Angesichts seiner Vorliebe für Satire und Grenzüberschreitungen scheint das Lanna Action for Burma Committee schlecht gerüstet für diplomatische Verhandlungen mit Myanmars Militärjunta. Dennoch will das weltumspannende Aktivist:innen-Netzwerk die alten Generäle genau dort treffen, wo es wehtut: unter der Gürtellinie. Mit einem Arsenal an Höschen und der Post als Vehikel macht sich das internationale Frauenbündnis im Kampf gegen die Militärs deren Aberglauben zu nutze. Denn einer myanmarischen kulturellen Überlieferung nach wird hpoun – die als überlegen geltende männliche Macht und Moral – bei der Berührung mit Sarongs oder Unterwäsche von Frauen geschwächt.
Zwischen 2007 und 2010 flutete das Netzwerk von Lanna Action die Briefkästen der myanmarischen Botschaften in Australien, Brasilien,
Kanada, Thailand und anderen verbündeten Staaten mit Paketen voller Unterhosen, die an hochrangige Funktionäre Myanmars adressiert
waren. Das Komitee startete auch einen Blog mit Videoclips, die ihr bekanntes G-String-Logo zeigen und die Vorteile der Stimmabgabe für ihre Partei bei den Wahlen 2010 preisen. Slogans wie „Unsere Sarongs flattern hoch wie Flaggen – lasst uns Strom aus Windkraft genießen. Stimmt für uns, die Lanna Panty Party. Wir bringen den Menschen das Licht!“ zeugen von der parodistischen Natur ihrer Aktionen.
Dabei greifen die selbsternannten Hexen auf altbewährte karnevaleske Tabubrüche rund um das zurück, was der russische Semiotiker Michail Bachtin als „materiell-leibliche Basis“ bezeichnet. Indem sie auf die abscheulichen Gewalttaten der Junta-Mitglieder verweisen und ihr männliches Ego genau dort herabzuwürdigen versuchen, wo diese ihre Mitstreiterinnen verletzt haben, zeigen sich die Mitglieder der Aktionsgruppe auf ihrem eigenen Kampfgebiet als unerschrockene Meisterinnen von Hohn und Spott.
Claire Tancons*