Interview mit Indira Béraud

Was hat Sie am Raum der Vitrinen für die Kuration des aktuellen Zyklus inspiriert?

„Ich bin vom Raum ausgegangen, von seinen Einschränkungen und Möglichkeiten. Die Vitrinen sind ein linearer Raum von 25 Metern Länge, unterteilt durch Säulen, und diese Anordnung erinnerte mich an einen Querschnitt einer Wohnung. Ich dachte an Marina Abramovićs Performance The House with the Ocean View (2002), die in der Sean Kelly Gallery präsentiert wurde. Die Künstlerin lebte dort unter den Blicken des Publikums in drei Zellen, die in äußerst minimalistischer Weise eine häusliche Umgebung nachbildeten. Auch der Film Dogville ist eine wesentliche – und vielleicht noch stärkere – Referenz. Ein Teil seiner Kraft liegt in seiner Inszenierung: Das völlige Fehlen von Wänden, die lediglich durch auf den Boden gezeichnete Linien angedeutet werden, offenbart die Dynamiken und Machtmissbräuche, die sich im häuslichen Raum abspielen, und enthüllt somit, was normalerweise verborgen bleibt. Dieses Fehlen echter Trennwände findet sich auch im Raum der Vitrinen wieder und damit wollte ich spielen. Die Idee war also, diesen Ort als eine Wohnung, als einen intimen und häuslichen Raum zu betrachten, der für alle sichtbar ist.“

Wie ist das Projekt „The Phantom of Liberty“ ausgehend von der Arbeit von Isabella Benshimol Toro entstanden?

„Ich verfolge die Arbeit von Isabella Benshimol Toro schon seit einiger Zeit und fühle mich ihr sehr verbunden. Sie setzt sich intensiv mit Objekten und Elementen des intimen und häuslichen Lebens auseinander. Ihre Praxis hinterfragt insbesondere die Machtverhältnisse, die in der Gesellschaft wirken. Manchmal integriert sie auch Münzen in ihre Arbeiten, und diese Verbindung von Ökonomie und Intimität erinnert daran, dass zwischenmenschliche Beziehungen oft von Transaktionslogiken durchzogen sind. Diese Spannung zwischen Körper und Kapital, zwischen Begehren und wirtschaftlichem Austausch, verdeutlicht, wie ökonomische Strukturen unsere intimen Beziehungen beeinflussen und Konzepte von Freiheit und Dominanz neu definieren. Es ist nicht nur eine private Angelegenheit, sondern eine Frage struktureller Macht. Das erinnert mich an die Arbeit von Andrea Fraser, insbesondere an ihren Film (Untitled), in dem sie mit dem Sammler schläft, der das Video kauft. Die Werke von Isabella erzählen all dies auf narrative Weise. Sie schaffen eine Handlung, eine stille Dramaturgie, die von einer gewissen Nostalgie geprägt ist. Ein in Harz erstarrter String, der auf einem Bürostuhl zurückgelassen wurde, verweist auf eine vergangene Handlung: das Ausziehen. Die Werke rufen einen Körper auf, der nie direkt dargestellt wird, aber dessen Präsenz durch Spuren, Flüssigkeiten und Formen spürbar bleibt. Diese Umkehrung moralischer Normen und sozialer Konventionen – das Sichtbarmachen dessen, was normalerweise verborgen bleibt – gefällt mir, weil sie die Dynamiken enthüllt, die den Regeln und Normen zugrunde liegen, die unser Verhalten bestimmen. Es ist eine subversive Herangehensweise, die sich auch in Luis Buñuels Der diskrete Charme der Bourgeoisie wiederfindet, an dessen Titel die Ausstellung angelehnt ist.“

Der Kurfürstendamm, wo sich das Institut Français Berlin befindet, ist eine berühmte Einkaufsstraße mit Luxusgeschäften. Was halten Sie von diesem Präsentationsort für die Arbeit von Isabella Benshimol Toro, die sich mit Intimität, Wert und Macht beschäftigt?

„Natürlich gibt es die Luxusgeschäfte, aber es gibt auch das Kino, das die Vitrinen beherbergt. Ich denke, dass die Ausstellung, die dort entfalteten Szenarien und die Referenzen, die sie mobilisiert, eher mit der Welt des Kinos als mit den Geschäften auf der großen Einkaufsstraße in Verbindung stehen. Das war ein häufiges Thema in unseren Gesprächen: Wie vermeiden wir, dass die Installation wie ein Set-Design für Mode oder Luxus aussieht, obwohl viele der integrierten Objekte Ready-Mades sind, die man in solchen Geschäften finden könnte?“

Sie stellen zum ersten Mal in Berlin aus. Was bedeutet das für Sie als Kuratorin zeitgenössischer Kunst?

„Das ist für mich sehr wichtig! Es ist eine Stadt, die ich sehr liebe und in die ich seit langer Zeit nicht zurückgekehrt bin. Sie hat sich stark verändert seit meinem letzten Besuch vor etwa zehn Jahren. Leider sind die Preise erheblich gestiegen, was meiner Meinung nach direkte Auswirkungen auf die Kunstszene hat. Der Aufenthalt hier ist auch eine wertvolle Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen: Ateliers zu besuchen, Künstler:innen kennenzulernen, um sie vielleicht nach Frankreich einzuladen, oder Kurator:innen zu treffen, mit denen ich in Zukunft gerne zusammenarbeiten würde. Der politische Kontext ist ebenfalls besonders, unmittelbar vor den Wahlen, und das ist im Alltag spürbar: in Gesprächen, in der allgemeinen Atmosphäre. In diesem Sinne bin ich erleichtert und froh, dass Künstler:innen wie Nan Goldin den Mut haben, sich zu äußern – etwa zur Situation in Gaza –, trotz des Drucks, der auf ihnen lastet. Die Berlinale war ebenfalls ein Raum für essenzielle Stellungnahmen, und es ist entscheidend, dass solche Orte Räume des Widerstands und der Debatte bleiben.“